„Der Campus“ von Dietrich Schwanitz
Der Soziologieprofessor Hanno Hackmann kommt als Kandidat für den Posten
des Universitätspräsidenten ins Gespräch und beendet deshalb seine Affäre mit
der hübschen Studentin Babsi. Sie verführt ihn allerdings ein letztes Mal und
aufgrund einer Verkettung mehrerer Umstände wird Professor Hackmann plötzlich der Vergewaltigung bezichtigt. Der Skandal ist
perfekt. Besonders sein Konkurrent Bernie Wesenkamp wittert plötzlich seine
große Chance und versucht gemeinsam mit der Frauenbeauftragten Dr. Ursula
Wagner Hackmann öffentlich bloßzustellen. Was wirklich vorgefallen ist,
interessiert bald keinen mehr und die Hetzjagd auf Hackmann entwickelt eine
gefährliche Eigendynamik. Das Leben des Professors gerät immer mehr aus den
Fugen. Er verliert seinen Job und seine Ehre. Seine Ehe geht in die Brüche und
seine Tochter, die anfangs noch zu ihm hält, will schließlich nichts mehr von
ihm wissen.
Das Buch ist ein Rundumschlag gegen alles, was
Schwanitz nicht gefällt. „Der Campus“ beschäftigt sich
daher weniger mit dem Fall an sich, sondern vielmehr mit den Ränkespielchen um
Macht, Posten und Einfluss hinter den Kulissen einer ehrwürdigen Universität. Schwanitz kennt das Milieu, über das er
schreibt, selbst nur zu gut. Er ist selbst Professor für Englische Sprache und
Kultur in Hamburg und weiß, dass an Notenschnitten gedreht wird, weiß, dass
Dozenten mehr an die Karriere, als an die Lehre denken, weiß, dass Feminismus
(aka. Zentrum für Gleichstellungsbeauftragung) an der Uni manchmal fundamentale
Züge annimmt. Aber auch Politik, TV und Presse kriegen ihr Fett weg.
Präzise und herzlos zeichnet er
die Charaktere und zeigt damit offen und schamlos, was hinter vorgehaltener
Hand an der Uni getuschelt wird und hinter den Mauern des Elfenbeinturm passiert.
Brillant ist seine Art eine scheinbar harmlose Affäre in mehreren Wellen bis
zum öffentlichen Eklat hochzuschaukeln. Und man sieht hier ganz deutlich wie
schnell einem eine solche Situation aus der Hand gleiten kann, obwohl „Opfer“ und
„Täter“, die in diesem Falle beide Opfer sind, beharrlich beteuern, dass eine Vergewaltigung
nicht stattgefunden hat.
Der satirische-kritische Roman traf 1995 den
Nerv der Zeit. Das Buch wurde zum Bestseller und Sönke Wortmann hat es mit
Starbesetzung verfilmt. Der Film bleibt aber hinter dem Wortwitz des Buchs weit
zurück und schwankt unentschlossen zwischen Satire und Drama hin und her.
Nichtsdestoweniger schlug der
Roman große Wellen im frisch vereinten Deutschland und zeichnet bitterböse die
Strukturen an der Hochschule nach. Das Buch war eine unverhohlene Abrechnung
mit den Universitätskollegen. Doch im Elfenbeinturm, zwischen Gremien und
Seilschaften gilt jede Selbstkritik als reaktionär.
Den instinktsicheren Griff nach
populären Themen, wie der Bildungsmisere, Sex am Arbeitsplatz oder das Leid der
Männer, nahm die Universität Schwanitz übel. Sein Ratgeber "Bildung, alles
was man wissen muss" war besonders umstritten. Dabei wollte Schwanitz nur
den Finger in die Wunde legen. Er mischt sich halt gerne politisch ein. Er
wollte dem Volk die Bildung beibringen und der Hochschule das Fürchten lehren.
Schwanitz verstarb bereits im
Dezember 2004 an Unterkühlung in seinem Haus im Schwarzwald. Damit verliert
Deutschland einen Professor, der sich nicht in seinen Elfenbeinturm zurückgezogen
hat, sondern Spaß hatte zu provozieren und die Dinge völlig quer zu denken.
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