"Die Abenteuer des Werner Holt" von Dieter Noll
Es gibt rote Literatur und es
gibt Werner Holt. Obwohl dieses Buch im DDR-Literaturkanon für Schulen ganz
vorne stand, ist es erstaunlich wenig sozialistisch eingefärbt. Gefeiert wurde
der 1960 erschienene erste Roman „Roman einer Jugend“, weil er den Krieg
kritisiert. Geschrieben wurde der zweite Teil „Roman einer Heimkehr“ 1963 weil
der erste einen solchen Erfolg gehabt hatte.
Als anfangs noch kindhafte Jungen
im Alter von etwa 16 Jahren, die das Abenteuer suchen, erleben Werner Holt und
seine Klassenkameraden Gilbert Wolzow, Sepp Gomulka, Christian Vetter und Peter
Wiese den Einzug als Flakhelfer zunächst mit Begeisterung. Bald lähmt der
erniedrigende Drill die Enthusiasten. Später jagt ein Inferno das nächste und
schon bevor die mittlerweile jungen Männer zu einem Arbeitsdienst in die
Slowakei weitergeschickt werden, keimen in einigen eindeutige Zweifel an ihrem
Tun. Holt wird von seinem Vater mit der Wahrheit konfrontiert und will zuerst
nicht glauben, was er sagt. Erst beim Arbeitsdienst in der Slowakei sieht er
mit eigenen Augen wem er dient. In Gesprächen, inneren Monologen, geschriebenen
Gedanken oder einfach nur unterschwellig in ihrem Tun und Handeln klingen diese
Zweifel und auch Kritik an, die schließlich in totaler Kriegsernüchterung münden.
Drastisch genau sind die Kriegsverbrechen, Hinrichtungen und Schlachten an der
Front beschrieben, die schließlich und endlich zum körperlichen und auch
moralischen Zusammenbruch der Überlebenden führen. Erst auf den letzten Seiten
beschließt Holt sein Leben in die eigene Hand zu nehmen und begreift das große
Ganze, er flieht und gerät schließlich in Kriegsgefangenschaft. Nach langer
Zeit wird er entlassen und macht sich auf die Suche nach seinem früheren Leben.
Hier knüpft der zweite Band an.
Noll kritisiert nur hier und da den Westen, aber er lobt den Osten ebenso
wenig. Wie zu erwarten war, wurde der zweite Teil von der DDR-Obrigkeit und
auch in den Schulen nahezu ignoriert.
Holt kehrt nach Hause zurück,
Krieg, Kriegsgefangenenlager, Flucht und der Heimweg haben ihn geschwächt. Er
kehrt zu seinem Vater und seiner Freundin zurück und lebt in der russischen
Besatzungszone. In inneren Monologen und im Gespräch mit Freunden versucht er
das Erlebte aufzuarbeiten. Er trifft alte Bekannte und lernt durch sie neue
Leute kennen und mit ihnen auch ihre Ansichten. Aber er findet sich in der
Gesellschaft nicht wieder, auch seine Freundin Gundel, eine begeisterte
Kommunistin, ist ihm fremd geworden. Er sieht die Schuldigen in der
Elterngeneration, vor allem aber in seinem Vater, und beschließt deshalb zu
seiner Mutter nach Hamburg zu ziehen. Sie ist Angehörige der besseren
Gesellschaft und führt ihren Sohn in diese ein. Und wieder lockt das Weib. Holt
lässt sich mitreißen von dieser neuen Welt. Doch nach und nach dringt er unter
die behütete Oberfläche dieser neureichen Welt und wieder lässt er alles hinter
sich zurück und verlässt auch seine Mutter. Er trifft auf der Reise in den
Bergen eine alte Freundin, die zur Einsiedlerin geworden ist. Ohne wirklich
seinen Platz im Leben gefunden zu haben, kehrt er schließlich zum Vater zurück.
Doch auch hier ist weder eine
eindeutige Kritik des Kapitalismus noch eine eindeutige Befürwortung des
Sozialismus zu finden. Nur ein Junge, der seinen Weg sucht und nicht findet.
Der Roman endet offen, als ob er auf eine weitere Fortsetzung wartet.
Bildnachweis: http://www.amazon.de/DIETER-NOLL-Zwei-B%C3%A4nde-Abenteuer/dp/B007W8PU12
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