Montag, 15. August 2016

Rezension: „Glennkill“ von Leonie Swann



„Glennkill“ von Leonie Swann

Der Schäfer ist tot, lang lebe der Schäfer.
George Glenn, ein Schäfer wird eines Tages von seinen Schafen leblos im Gras gefunden. Er ist tot, in seiner Brust steckt ein Spaten. Es dauert nicht lange, bis die Bevölkerung des kleinen Ortes Glennkill auf den Hügel kommt, um den Toten zu begutachten. Die Schafe beschließen den Mörder ihres geliebten Schäfers zu finden. Da der Schäfer den Schafen oft vorgelesen hat, kennen sie sich mit Kriminalfällen, Liebesgeschichten und Schafskrankheiten bestens aus.
Und so belauscht die Herde zwischen Weide, Steilklippen, Dorfkirche und Schäferwagen viele Gespräche, die für den Leser Licht ins Dunkel des Falls bringen, für die Schafe aber nur teilweise informativ sind, da sie nicht jedes der Worte in seinem kompletten Bedeutungsinhalt verstehen. Gerade diese ironische Doppeldeutigkeit an der Grenze zwischen Schafslogik und Menschenverständnis macht Glennkill zu einem sehr warmherzig-witzigen Buch, stößt dadurch aber auch erzählerisch an seine Grenzen. Einen ganzen Krimi plausibel in Schafslogik zu erzählen, hat Leonie Swann wohl hinbekommen, dass dies literarisch kein Höhenflug werden würde, war abzusehen. Zwar ist die Schafssicht auf menschliche Handlungsweisen sehr amüsant, vielfach auch philosophisch, dennoch fehlte es mir an etwas mehr gedanklicher Tiefe.
In dem verschlafenen irischen Dorf Glennkill ist einiges im argen. Aus den von den Schafen belauschten Gesprächen lässt sich für den Leser zumindest erahnen, dass ein früherer Mord, Drogen und andere dunkle Geschäfte und persönliche Fehden eine Rolle spielen werden, wenn es am Ende um die Aufklärung des Falls geht. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das Ende des Buches hat mich persönlich noch mehr enttäuscht  als der sprunghafte Spannungsbogen, der ab und an immer mal wieder ins Nichts abzutauchen scheint, wenn sich die Geschichte in irrelevanten Nebenhandlungen verliert.
Auch wenn die einzelnen Charakterzüge der einzelnen Schafe sehr schön herausgearbeitet sind und ihr Verhalten immer sehr plausibel beschrieben wird, wirken die Schafe an einigen Stellen sehr menschlich an anderen wieder wie normale Schafe. Aber wer denkt, dass sich das Konzentrieren auf Schafe und Schafsdenken und Schafsverhalten nach einer Weile abnutzt, wird positiv überrascht. Die Autorin beschreibt alle Geschehnisse aus Sicht der Schafe so natürlich, dass man am Ende glaubt, sehr gut zu wissen, wie so ein Schaf denkt und fühlt.
Eines hat dieser Roman jedoch vielen Kriminalgeschichten voraus: Die Charaktere entwickeln sich. Die Schafe sind irgendwann an einem Punkt angekommen, an dem sie Handlungen ausführen müssen, die für Schafe nicht normal sind. Und die Schafe beschließen dennoch sie zu tun, auch wenn sie Mut und Kraft erfordern. Die Schafe wachsen dabei über sich hinaus und lernen neues dazu. Wenn auch kriminalistisch kein Meisterwerk, so ist dieses Buch eine schöne Beschreibung eines übertrieben schrulligen Dorfes und ihrer Bewohner durch scharf beobachtende Schafe, die ihrerseits wieder einzigartige Charaktere sind.
Als Debütroman bald 1,5 Mio. mal verkauft zu sein und in über 20 Sprachen übersetzt zu werden, das hatte sich Swann sicherlich nicht träumen lassen. Das Rezept ist einfach: Schafe ermitteln in einem Kleinstadtkrimi wegen des Mordes an ihrem Schäfer. Das dieses Erstlingswerk es zum Bestseller geschafft hat, ist vielleicht auch ein kleines bisschen Glück gewesen.

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