Durch Zufall gelangte ich an eine große Menge
DDR-Science-Fiction-Literatur. Von den einen als „rote Gehirnwäsche“
verschrien, von den anderen als „geliebte Kindheit“ bezeichnet, bilden die in
der DDR erschienenen Scifi-Romane ein interessantes Bild des Kommunismus ab. So
oder so lohnt es sich diese Bücher einmal anzusehen.
Vier
Bücher möchte ich hier vorstellen:
„Sieben fielen vom Himmel“ von Alexander Kröger
Die Ankunft der centaurischen
Raumfahrer* wird aus mehreren Perspektiven beleuchtet: Aus Sicht der Schiffbrüchigen
selbst, aus Sicht eines Beobachtungspostens russischer Militärs auf dem Ozean,
aus Sicht eines amerikanischen Inka-Forscherteams und aus Sicht einer
weltumspannenden Weltraumbehörde.
Anfangs irren die Ankömmlinge
durch den unwegsamen peruanischen Dschungel. Einer der sieben Gefährten, Mangk,
(Warum müssen Menschen in der Zukunft oder Außerirdische immer
so seltsame Namen tragen?) ging beim Absprung verloren. Er irrt nun alleine durchs Gehölz
und wird von Ureinwohnern gefunden. Ein Forscherteam will alte Inka-Gebäude
finden und trifft auf den von den Indios beherbergten Kosmonauten. Nun soll die
Kunde über Aliens nicht gleich an alle Medien weitergegeben werden und die
Außerirdischen wollen zunächst auch primär, dass ihr Raumschiff nach ihren Plänen gebaut
wird, damit sie zurückkehren können nach Alpha Centauri. Aber dann wollen sie eben
auch die Menschen studieren, so gut es geht und ihre Geschichte und alle
Lebewesen auf dem Planeten erforschen. Dabei werden sie in irdische Auseinandersetzungen
und Machtintrigen verwickelt, die sie von ihrem Planeten nicht kennen.
Der packende Schreibstil
verleitet zum nächtlichen Durchlesen dieses Romans. Stück für Stück setzt sich
das Puzzle zusammen aus den verschiedenen Perspektiventeilen. Es fehlt nicht an
Action, es gibt Intrigen, gibt zwischenmenschliche Probleme, es gibt
wissenschaftliche Elemente - kurzum das Buch enthält alles, was es für einen
spannenden Scifi-Roman braucht.
Das sozialistische Element ist
hier sehr schwer auszumachen. Es schaut wohl am ehesten hervor, wenn die
Außerirdischen über die Zustände auf ihrem Planeten sinnieren und diese
Zustände mit denen auf der Erde vergleichen. Bei ihrer Rückkehr nach Hause spielt eine Art
Gutmenschenversion der UNO eine große Rolle. Diese fungiert als sozialisitisch organisierte Generalvertretung aller Staaten. Und obwohl gerade wieder ein US-amerikanischer Großkonzern dafür herhalten müssen der Böse zu sein, werden eben auch Amerikaner als diejenigen beschrieben, die den Aliens schlussendlich helfen sich aus der Gefangenschaft zu befreien und nach Hause zurückzukehren.
*Auf der Webseite des Autos werden sieben fielen vom Himmel,
dass Kosmodrom im Krater Bond und Energie
für Centaur als Centauren-Trilogie bezeichnet.
„Sprung ins Übermorgen“ von Pjotr Woronin
Das Buch, was im Verlag Neues Leben
1975 erschienen war, beschreibt, wie ein Mann nach einem Streit mit seiner
Freundin elendiglich in der Eiswüste stirbt und mehrere hundert Jahre später
von einer fortschrittlicheren Menschheit wieder aufgetaut wird. Valentin
Seljanin weiß zunächst nicht von seinem Glück, als er sich im Krankenhaus
wiederfindet und seine (Ex-)Freundin Olga erblickt, die ihn Stück für Stück ins
Leben zurückbegleitet und schließlich auch erzählt, was mit ihm wirklich
passiert ist. Olga heißt eigentlich Elja und sieht der Geliebten nur verdammt
ähnlich. Valentin befindet sich nun in der Zukunft, in der sich einiges
geändert hat.
Nun stellen sich dem Leser viele
Fragen: Wie lebt es sich so allein unter Fremden? Gibt es eventuell späte
Angehörige, die man aufsuchen kann? Was hat sich verändert auf der Welt? Wie
ist die politische Lage? Was gibt es für wissenschaftliche Fortschritte? Wie
leben die Menschen auf der Erde der Zukunft?
Nun, der Roman beantwortet diese
Fragen nur marginal. Statt auf diese drängenden Fragen einzugehen, beschäftigt
sich Valentin in seinem neugewonnenen Freundeskreis aus Elja, Halil, Filip und
Noemi (warum müssen Menschen in der Zukunft oder Außerirdische
immer so teilweise abstruse Namen tragen?) mit Ängsten in Fluggeräte zu
steigen, seiner undurchsichtigen Liebe zu Elja, politischen Diskussionen über
die Begrünung des Planeten und die Unterschiede von Arbeitern und
Wissenschaftlern sowie einem eigenartigen Himmelskörper, der die Erde besucht.
Alle diese Ereignisse stehen in
keinem Zusammenhang und werden auch genauso zusammenhanglos erzählt. Man hat
zeitweise das Gefühl, dass zwischen den Zeilen irgendwie Textteile verloren
gegangen sind. Nur das kann die abstrusen Zeitsprünge erklären, nur das kann
die fehlenden Handlungsstränge erklären, diese wiederum würden eventuell
erklären, warum in diesem Buch Dinge geschehen, wie sie geschehen. Aufgrund der
vielen “Lücken“ lässt sich das Buch nicht flüssig lesen und hinterlässt mehr
Fragen als Antworten.
Der Schreibstil ist auch nicht so
überragend gut. Valentin ist mehr eine Person im Hintergrund, statt einer
handelnden Hauptperson. Ihm wird eigentlich das ganze Buch hindurch nur
irgendetwas erklärt - meistens Dinge nach den er nicht gefragt hat. Dann schaut
er sich wieder in seiner schweigsamen Art irgendetwas an. Das Bild wird zur
Hälfte beschrieben. Aber man steht orientierungslos im Raum und kann das Bild
nicht in einen Zusammenhang setzen mit dem bereits Gelesenen. Und Valentin
analysiert es auch nicht, er sieht es nur, nimmt es nur wahr.
Nicht nur durch die Blume und
auch nicht nur nett gemeint, damit das Buch erscheinen kann, ist hier der rote
Vorhang (auf Seite 155), wo die vier, fünf Freunde über die sozialistische
Revolution und die Überlegenheit der Wissenschaft schwadronieren und Marx und
Lenin preisen. Und das noch nicht einmal glaubwürdig und ausführlich oder gar
fundiert, sondern - wie eigentlich das gesamte Buch - oberflächlich und
ungenau.
Schade, denn dieses Thema der
Kybernetik und des Einfrierens und Wiederauftauens von Menschen und somit das
Unsterblichmachen von Menschen und Überdauern in der Zeit ist sehr spannend und
hätte viel packender erzählt werden können.
„Expedition Mikro“ vom Alexander Kröger
Wie schon in seinem Erstlingswerk
„Sieben fielen vom Himmel“ beschreibt Kröger die Ankunft einer Expedition mit
einem Schiff an Land, nachdem ein anderes Schiff verschollen ist. In dem 1976
erschienenen Roman versuchen die Expeditionsteilnehmer in einer Welt der Riesen
zu überleben. Sehr spät allerdings fällt dem Leser auf, dass die bisher
„normal“ wirkenden Protagonisten des Romans die sind, die nicht normal sind und
die „Riesen“ die eigentlichen normal großen Menschen sind, wie du und ich. Und
wieder ist es die ungewöhnliche Beschreibung der Fauna und Flora aus Sicht der
Winzlinge, die den Landeort für uns so fremd erscheinen lässt, obwohl es sich
um unsere normale Umwelt handelt. Auch hier arbeitet der Autor mit der Sicht
aus zwei Perspektiven: Aus der Sicht der durch Genmanipulation ins winzige
verkleinerten Menschen Gela, Ennil, Chris, Charles, Karl und Carol und aus der
Sicht der Menschen, die die Mikro-Menschen entdecken.
In "Expedition Mikro" müssen sich die Nachfahren
einer militanten US-amerikanischen Sekte mit den Folgen ihrer Miniaturisierung
auseinandersetzen und bei ihrer Ankunft kommt es zu Schwierigkeiten mit Amerikanern.
Der Mikromensch ist alleine nicht
überlebensfähig. Zahlreiche Hürden müssen überbrückt werden, viele Gefahren
lauern draußen in der Riesenwelt. Schon ein kleiner Vogel oder ein Windhauch
kann mit den Mikromenschen und ihren Gebäuden und Fahrzeugen schlimmes
anrichten. Derweil haben auch die großen Menschen ihre Problemchen - eine Stadt
wird von gefräßigen Mikroorganismen heimgesucht, die den Beton zerstören, aus
der die Stadt besteht.
Der Roman ist durchgehend sehr
spannend erzählt und lässt sich sehr gut lesen. Man kann sich die Figuren und
die Umgebung sehr gut vorstellen, denn Kröger spart nicht an landschaftlichen
Beschreibungen. Die Dialoge sind packend geschrieben und die Story ist
teilweise sehr actionreich.
Relativ offensichtlich findet
sich hier der sozialistische Anklang in der Betrachtung zweier sozial
unterschiedlich aufgebauter Kulturen. Die eine lebte in jahrelanger Isolation
und musste sich an die Umwelteinflüsse anpassen. Sie war entstanden aus dem
Glauben, dass der Mensch mit seinen Ressourcen nicht mehr lange reichen würde
und durch Miniaturisierung die Ressourcen länger reichen würden und auch der
Wohraummangel beseitigt werden könnte. Diese Zivilisation wird als die sozial
überlegenere dargestellt, weil in ihr alle gleichberechtigt leben und jeder
jedem hilft, alle am gleichen Strang ziehen und… naja, Sozialismus halt. Die
andere Gesellschaft ist eine Leistungsgesellschaft, in der einige Personen
anderen nicht trauen können, in der es Umweltprobleme gibt, in der sich die
Mächtigen untereinander rivalisierend verhalten. Sieht man von dieser offensichtlichen "Gehirnwäsche" ab, ist der Roman dennoch sehr unterhaltsam und auf jeden Fall spannend geschrieben.
„Stern auf Nullkurs“ von Klaus Frühauf
Das Buch beginnt etwas hölzern,
entwickelt sich dann aber nach etwa 50 Seiten zu einem spannenden Roman. Ein
Forscherteam rund um Tonder, Kalo, Pela und Dona (warum tragen Leute aus der
Zukunft immer so komische Namen?) fliegt zur Außenbasis Pluto III, um dort
Kontakt mit einem Himmelskörper aufzunehmen, der kurz davor ist, ins uns
bekannte Sonnensystem hineinzufliegen. „Der dunkle Stern“, wie ihn alle nennen
hält direkten Kurs auf die Sonne. Wenn die Menschen nichts unternehmen wird es
zum Crash kommen und mit der Sonne alles Leben auf der Erde auslöschen.
Die ersten Seiten sind sehr
stückig, die Informationen bruchstückhaft und es will sich kein klares Bild
herauskristallisieren: Weder von den Hauptfiguren noch vom Protagonisten
Kommunikationstechniker Kalo selbst. Das Raumschiff mit dem sie zum Pluto
fliegen bleibt ebenso unbeschrieben, wie die Raumstation vor Ort, von der wir
immerhin erfahren, dass sie einen Pool besitzt und, dass man sie ab und an
enteisen muss. Auch über das Leben und den Auftrag von Kalo erfahren wir nicht
viel. Er hatte eine Freundin, von der er sich aber getrennt hat, weil sie ihm
nicht glauben wollte, dass es Außerirdische gibt und sich über seine Arbeit
lustig gemacht hat. (Sie haben wohl auch ein Kind um die 6 Jahre, aber die
Beschreibungen sind so dürftig, da würde ich meine Hand nicht für ins Feuer
legen.) Das einzige, was Kalo also auf seiner langen Reise zum Pluto umtreibt
ist die Frage bei welcher der beiden ansehnlicheren Damen an Bord er am ehesten
landen kann und wie er sich an sie ranmacht. Erst als alle
Kontaktaufnahmeversuche mit potentiellen Leben auf dem Himmelskörper
fehlschlagen und ein Raumschiff Kurs auf den dunklen Stern nimmt, wird die
Erzählung stringenter. Und fortan ist dann auch klar, worum es sich bei dem
dunklen Stern handelt: Eine Dyson-Sphäre. Die Bewohner sind staatenbildende intelligente
Insekten.
Leider verfällt der 1979 erschienene Roman nach
dieser ersten Begegnung wieder in seinen stückigen Kurs. Handlungstechnisch
fliegen Kalo und Co. hin und her, um mit Ankömmlingen und Erdbewohnern zu
verhandeln, welche Variante die bessere sei: Eingliederung der Astraten – wie sie
sich selbst nennen – oder sie ziehen lassen und sie damit dem sicheren Tod
ihrer Zivilisation überlassen. Überleitungen zwischen all diesen
Handlungsteilen fehlen aber weitestgehend, dafür gibt es hin und wieder plötzliche Rückblicke, die irgendwie fehlplatziert wirken und man ist sich nie ganz sicher, wo
man sich gerade befindet, denn der Ort wird meistens nicht genannt, sondern nur
in einem Nebensatz zufällig erwähnt – oder eben nicht.
Die große Sozialismus-Keule gibt’s in diesem Buch nicht. Die
Fragen nach Gesellschaftsformen sind über das gesamte Buch verteilt: Zum einen
die Unterscheidung zwischen gruppengebundenen Zivilisationen und Zivilisationen
mit Individualwesen. Zum anderen die Frage nach humanitären Ländern und
egoistischen Ländern bzw. Personen (wenn es um die Aufnahme der Astraten geht). Doch auch
hierbei hat zwar Kalo als Protagonist stets eine eigene Meinung und Präferenz
versucht aber die jeweils andere Meinung auch zu verstehen und wägt ab. Er ist
sich unsicher, ob seine getroffene Entscheidung, ob seine Meinung die richtige
ist. Damit lässt das Buch vieles offen und drückt den Leser nicht in eine
Richtung.
Fazit
Die meisten alten SciFi-Bücher sind nicht nur „sozialistische
Schinken“, sondern sind durchaus spannende Retro-Weltraum-Literatur, allerdings
muss man hier stark unterscheiden zwischen Büchern, die veröffentlicht wurden
weil es der Autor wirklich drauf hatte oder Büchern, die veröffentlicht wurden
weil die Nachfrage nach neuen Büchern groß war und schnell ein neues Buch her
musste, egal, wer es schreibt. So zumindest hab ich manchmal das Gefühl gehabt,
dass jenseits von Kröger die Reihen derer, die spannend erzählen können, echt
dünn gesät sind.
Noch mehr
Wissenschaftlich interessant sind die folgenden
Abhandlungen:
a)
Die Begegnung mit außerirdischen Lebensformen:
Untersuchungen zur Science-Fiction Literatur der DDR
b)
Science-Fiction: Personalia zu einem Genre in der DDR
c)
Die Science-Fiction der DDR
Eine sehr lesenswerte Analyse von Science-Fiction betrachtet
aus dem Jahr 2011 ist das Buch Das
Science-Fiction Jahr 2011.
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