„Föhn mich nicht zu“ von Stephan Serin
Der angehende Lehrer Stephan
Serin berichtet aus seiner Zeit als Referendar an einem Berliner Gymnasium. Der
Untertitel des Buches – Aus den Niederungen deutscher Klassenzimmer – trifft es
relativ gut, denn, was Herr Serin hier nüchtern berichtet, lässt unsereinem die
Haare zu Berge stehen. Nicht wirklich beschulbare Schüler, ausgebrannte Lehrer,
Chaos in deutschen Klassenzimmern – und alle versuchen sich irgendwie
durchzuwurschteln. Ist es wirklich so schlimm um deutsche Schüler bestellt?
Serin unterrichtet Französisch
und Geschichte und der siebten bis elften Klasse. Er trifft hier auf Klassen
mit bis zu 90 % Migrationshintergrund, die ihn dazu zwingen seine Anforderungen
drastisch zurückzuschrauben. Kaum einer der Schüler kann einen vollständigen und fehlerfreien deutschen Satz aussprechen, die wenigen, die es können, sind in
der Klasse völlig unterfordert. Manchmal muss eben eine Antwort auf Arabisch
genügen, die von einem zweiten Muttersprachler bestätigt wird. Die meisten
Lehrer haben ihre Schüler längst aufgegeben und auch Serin wird in seinem
Idealismus schnell gebremst und lässt sich von dieser Mentalität immer häufiger
anstecken.
Aufgrund seiner orthopädischen
Leiden und seiner Größe häufig als „Bonsai“ oder „Nabelküsser“ bezeichnet,
versucht er mit coolness vor der Klasse zu bestehen. Das klappt nicht immer.
Man muss schon eine gehörige Portion Selbstironie haben, um über seinen eigenen
peinlichen Schulalltag als Junglehrer ein ganzes Buch zu schreiben. Serin
erzählt humorvoll, intelligent und bissig von den Leiden eines jungen Lehrers. Leider
karikiert er sich dabei viel zu oft macht sich dabei selbst zur Lachnummer. Das
mag gewollt sein und an einigen Stellen auch den wahren Erlebnissen von Stephan
Serin entsprechen, wirkt aber häufig sehr übertrieben. Ich glaube keine
Sekunde, dass ein Lehramtsstudent, der im Jahre 2010 zwischen 25 und 30 Jahren
alt ist, kein Mobiltelefon hat oder nicht weiß, wie man einen Videorecorder
bedient!
Der tägliche Kampf mit
bildungsfernen Schülern driftet dabei fast ins Groteske. Serin versucht diesem Kampf
gegen Windmühlen mit Galgenhumor zu begegnen und überzeichnet ernste Vorfälle mit
fiktiven Elementen. Der Referendar Serin wendet auch Methoden an, die
wahrscheinlich keiner von uns gutheißen würde. Die Noten der guten Schüler
herabzusetzen, damit sie vor der Klasse nicht als Streber gelten und aus dieser
Enttäuschung was fürs Leben lernen, hat aber selbst mit Satire nichts mehr zu
tun.
Aber was wissen wir schon vom Alltag
der Lehrer. Auch Lehrer sind irgendwo Menschen, jeder von ihnen hat so
irgendwie seine Ticks und die meisten werden sich tatsächlich mit den
Situationen an ihren Schulen abgefunden haben. Auch in die Rolle als Lehrer muss man erst hineinwachsen und
selbstverständlich stellt Serin die Rolle der schon „abgehärteten“ Lehrer etwas
überspitzt dar. Man weiß zwar nie wann Serin seinen speziellen Humor
auspackt, aber auch wenn die Beispiele überspitzt sind, wird klar, dass
subjektiv bewertende Lehrer an sich keine Seltenheit sind.
Doch Serin berichtet nicht nur aus seiner Arbeit mit den Schülern, sondern
auch was die arbeitsintensive Zeit als Referendar mit seinem Privatleben anrichtet.
Mit Riesenbammel vor dem zweiten Staatsexamen gesteht er sich sogar fast
ein, dass er gar kein Lehrer werden will. Seine humorvolle Art zu schreiben hat mich vom ersten Kapitel an dazu
bewogen weiterzulesen. Bewusst übertrieben nimmt er die Situationen in deutschen
Klassenzimmern aufs Korn und kommt dabei der Realität bedrohlich nahe.
Manchmal muss man lachen, um nicht
weinen zu müssen, denn was Serin in seinem Unterricht für Absurditäten
passieren, ist sicher nicht alles frei erfunden. Als ich
mich im Internet über das Buch informierte, waren viele der Meinung, dass es so
schlimm doch gar nicht sein kann, selbst nicht an Berliner Schulen. Ich habe
mich daraufhin mit einigen Bekannten unterhalten, die in Berlin bis vor Kurzem zur Schule gegangen
sind. Sie konnten mir viele der angesprochenen Situationen tatsächlich bestätigen.
Stephan Serin selbst sagt über seine Quellen, dass er manches selbst erlebt
hat, manches stammt aus Anekdoten von anderen Kollegen. Vieles ist überspitzt
dargestellt, Serin selbst warnt davor das Buch allzu ernst zu nehmen, er wolle
letztendlich nur unterhalten und sieht sich nicht als öffentlichen Mahner.
Serin schafft in seiner
Aneinanderreihung von gewissen Episoden aus seiner Referendariatszeit den Spagat
zwischen brutaler Schul-Realität und Unterhaltung gepaart mit Ratlosigkeit und Selbstkritik.
Auch wenn vielleicht nicht in jeder Schule ein solches Chaos herrscht, wie in
Berlin Mitte, nach diesem Buch muss man zwangsläufig alle Referendare
bewundern, die sich diesem Job stellen. Hut ab!
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