„Glennkill“ von Leonie
Swann
Der Schäfer ist tot, lang lebe der Schäfer.
George Glenn, ein Schäfer wird eines Tages von seinen
Schafen leblos im Gras gefunden. Er ist tot, in seiner Brust steckt ein Spaten.
Es dauert nicht lange, bis die Bevölkerung des kleinen Ortes Glennkill auf den
Hügel kommt, um den Toten zu begutachten. Die Schafe beschließen den Mörder
ihres geliebten Schäfers zu finden. Da der Schäfer den Schafen oft vorgelesen
hat, kennen sie sich mit Kriminalfällen, Liebesgeschichten und
Schafskrankheiten bestens aus.
Und so belauscht die Herde zwischen Weide, Steilklippen,
Dorfkirche und Schäferwagen viele Gespräche, die für den Leser Licht ins Dunkel
des Falls bringen, für die Schafe aber nur teilweise informativ sind, da sie
nicht jedes der Worte in seinem kompletten Bedeutungsinhalt verstehen. Gerade
diese ironische Doppeldeutigkeit an der Grenze zwischen Schafslogik und
Menschenverständnis macht Glennkill zu einem sehr warmherzig-witzigen Buch,
stößt dadurch aber auch erzählerisch an seine Grenzen. Einen ganzen Krimi
plausibel in Schafslogik zu erzählen, hat Leonie Swann wohl hinbekommen, dass
dies literarisch kein Höhenflug werden würde, war abzusehen. Zwar ist die
Schafssicht auf menschliche Handlungsweisen sehr amüsant, vielfach auch
philosophisch, dennoch fehlte es mir an etwas mehr gedanklicher Tiefe.
In dem verschlafenen irischen Dorf Glennkill ist einiges im
argen. Aus den von den Schafen belauschten Gesprächen lässt sich für den Leser
zumindest erahnen, dass ein früherer Mord, Drogen und andere dunkle Geschäfte
und persönliche Fehden eine Rolle spielen werden, wenn es am Ende um die
Aufklärung des Falls geht. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man
denkt. Das Ende des Buches hat mich persönlich noch mehr enttäuscht als der sprunghafte Spannungsbogen, der ab
und an immer mal wieder ins Nichts abzutauchen scheint, wenn sich die
Geschichte in irrelevanten Nebenhandlungen verliert.
Auch wenn die einzelnen Charakterzüge der einzelnen Schafe
sehr schön herausgearbeitet sind und ihr Verhalten immer sehr plausibel
beschrieben wird, wirken die Schafe an einigen Stellen sehr menschlich an
anderen wieder wie normale Schafe. Aber wer denkt, dass sich das Konzentrieren
auf Schafe und Schafsdenken und Schafsverhalten nach einer Weile abnutzt, wird
positiv überrascht. Die Autorin beschreibt alle Geschehnisse aus Sicht der
Schafe so natürlich, dass man am Ende glaubt, sehr gut zu wissen, wie so ein
Schaf denkt und fühlt.
Eines hat dieser Roman jedoch vielen Kriminalgeschichten
voraus: Die Charaktere entwickeln sich. Die Schafe sind irgendwann an einem
Punkt angekommen, an dem sie Handlungen ausführen müssen, die für Schafe nicht
normal sind. Und die Schafe beschließen dennoch sie zu tun, auch wenn sie Mut
und Kraft erfordern. Die Schafe wachsen dabei über sich hinaus und lernen neues
dazu. Wenn auch kriminalistisch kein Meisterwerk, so ist dieses Buch eine
schöne Beschreibung eines übertrieben schrulligen Dorfes und ihrer Bewohner
durch scharf beobachtende Schafe, die ihrerseits wieder einzigartige Charaktere
sind.
Als Debütroman bald 1,5 Mio. mal verkauft zu sein und in
über 20 Sprachen übersetzt zu werden, das hatte sich Swann sicherlich nicht
träumen lassen. Das Rezept ist einfach: Schafe ermitteln in einem
Kleinstadtkrimi wegen des Mordes an ihrem Schäfer. Das dieses Erstlingswerk es
zum Bestseller geschafft hat, ist vielleicht auch ein kleines bisschen Glück
gewesen.
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